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Vorbildliche Nachwuchsarbeit

Der von mir sehr geschätzte Herr BLUMENAU vom Radiosender FM4 hat anlässlich des beeindruckenden 5:1-Sieges der (drittklassigen) “Rapid Amateure” gegen das Bundesliga-Team Mattersburg im österreichischen Cup-Achtelfinale die vorbildliche Nachwuchsarbeit beim SK Rapid gelobt.

Während die “Amas” im Cupbewerb bleiben, musste die “Erste” von Rapid ihre Cup-Hoffnungen mit einer 2:3-Niederlage beim derzeitigen Angstgegner Ried bereits begraben.

Blumenaus Artikel möchte der RAPIDHAMMER seinen Lesern nicht vorenthalten:


Vorbildliche Nachwuchsarbeit

Gut, es redet sich leicht gut über ein Projekt nach einem Sensationssieg über einen zwei Klassen höher eingestuften Gegner. Aber die “kleine” Rapid, das B-Team, die Reserve, die Amateure, wie sie offiziell heißen, die sind auch im Liga-Alltag gut dabei. Und – weil das ja, wie wir wissen wichtiger sein sollte – auch im Bereich des Hervorbringens von Talent machen sie einen guten Job. In den ÖFB-Nachwuchs-Auswahlen tummeln sich derzeit neun aus dem Rapid-Ama-Kader.

Insofern tut eine Würdigung nach einem Cup-Sieg gegen die “großen” Mattersburger dann auch kein lustbetontes Hochspielen eines Zufalls, sondern eine Art Abnicken eines sinnvollen Weges.

Wo nämlich andernorts die Zweier-Teams (ich denke dann an die aus der von ziellosen Mäzenen übernommenen Tradition der Unmäßigkeit noch nicht erwachten Teams von Salzburg oder der Austria) sich mit durchaus erstligatauglichen Oldies vollstopfen und somit die Nachwuchs-Pflege (die der einzige nominelle Sinn dieser Mannschaften sind) hintanstellen (um das im Denken der planlosen Vereinsführungen wichtige, nämlich die pure Angeberei in den Mittelpunkt zu rücken), schaffen es derzeit Teams wie Sturm II und Rapid II (und auch die traditionell mit einem guten Nachwuchs gesegnete Admira II) dem sonstwo nur als Lippenbekenntnis präsenten Ja zur Aufbauarbeit auch ein praktisches Gesicht zu geben.

Am Beispiel der Rapid-Amateure.

In Hütteldorf ließ man zu Saisonbeginn fast ein Dutzend von Akteuren zwischen 20 und 23 in die Welt hinaus ziehen, um die neue Saison mit einem Team zu bestreiten, das großteils U20 ist – eine nachwuchspolitisch völlig richtige Maßnahme, die man sich anderswo (in Hinsicht auf Tabellenplätze und kurzfristige Erfolge) spart. Dazu hat auch die (endlich, zu spät erfolgte aber goldrichtige) Maßnahme die zweite Leistungsstufe (die sogenannte 1. Liga, die mit dem lustigen Sponsor Adeg, vormal Red Zac) von überehrgeizigen B-Team-Projekten zu befreien, einiges beigetragen.

Es kam also zu Saisonbeginn zu einer Verjüngung, als wär man eine veritable U20-Mannschaft. High risk.

Nur der Abwehrchef Nerman Jusic fällt da raus, die eh schon beim A-Team reinschnuppernden Lukse und Prokopic sind 20, Stürmer-Hoffnung Trimmel (jüngst beim “Supercup” gegen Horn im Einsatz) ist 21 – der Rest ist drunter.

Die Amateure werden nur im Notfall mit Spielern aus dem A-Team belästigt, die (wie in Salzburg) dort “Spielpraxis” sammeln sollen. Das widerspricht dann dem Aufbau und Lernprozess einer Nachwuchs-Mannschaft, wenn es sich um abgeschobene und lustlose Halbstars handelt, die derlei als Degradierung empfinden und mit einer entsprechenden Einstellung einen Spielfluss kaputtmachen können. Natürlich gibt es hier auch sinnvolle Zwischenlösungen. Leider nur in der Theorie.

Angewandte Integration

Das zweite ganz spezielle am Experiment Rapid Amateure ist die Zusammensetzung der Mannschaft.

Gestern abend im Cup-Achtelfinale gegen Mattersburg liefen 9 Secondos ein, Jungs mit entweder einem multiethnischem Background oder dem, was man Integrations-Hintergrund nennt. Bis auf den rechten Mittelfeldspieler Semsudin Mehic (ein junger Bosnier, der ein sensationelles Tor zum 4:1 erzielte) sind sie allesamt Österreicher. Und somit das lebende Beispiel für sinnvolle Integration, ganz ohne gezielte Programme, Quoten-Forderung oder anderem gut gemeinten, aber inpraktikablen Unsinn.

Wichtig ist nämlich nicht, woher die Eltern der Kicker herkommen, welche Religion die Burschen eh nicht wirklich ausüben, ob ihr Österreichisch akzentfrei oder klischeehaft daherkommt – wichtig ist aufm Platz und im Training und innerhalb des Teams.

Und da schaffte es eine nicht gerade hochgewachsene Mannschaft sich gegen einen Carsten Jancker zu erwehren, schaffte es ein junges, aber taktisch ausgesprochen diszipliniertes Team gegen einen von Coach Lederer wie leider immer eher sauhaufenmäßig eingestellten (und dumm aufgestellten) Gegner durchzusetzen. Gut, würden die halbwegs in Normalform spielen, dann wäre das Spiel spätestens nach dem 1:1 gekippt – so brachte die eigene Unsicherheit den SVM glatt um.

Trainer Andreas Reisinger

hat entweder irre viel Schwein und ein tolles G’spür, oder der einstmals eher lauffaule Ex-Internationale versteckt seine Fähigkeiten jungen Kickern das Wesentliche zu vermitteln sehr geschickt, wenn er in der Öffentlichkeit auftritt.

Sein offensiv ausgerichtetes 4-4-2 (mit dem überaus reifen Zweitkapitän Yasin Pehlivan, der zuletzt im U20-Team mitspielte, in der defensiven und mit Michel Sandic, zuletzt in der U19-EM-Quali dabei, in der offensiven Zentrale) überragt das dümmliche Pseudo-4-5-2, mit dem sich die große Rapid seit Monaten abplagt, natürlich um Längen.

Hier, bei den Amateuren, sind alle Positionen wirklich besetzt.

Die großen Rapidler gingen in Ried hingegen mit einer defensiveren Variante ihres Spiels, einem 4-5-1, baden.

Den zweiten Stürmer brachte Trainer Pacult erst nach dem 3:2.

Reisingers junges Team ist in seiner Grundstruktur so sattelfest, dass es vielleicht sogar einen Trainer der Marke Krankl überleben könnte. Hier laufen nicht nur die Außenspieler (im Fall des bereits erwähnten Mehic und im Fall des bereits allerorten abgefeierten Supertalents Christopher Drazan sogar ultraschnell), sondern auch die Zentrale ist in Bewegung, die Spitzen stören, rochieren und lassen sich fallen, zogen so die unbeweglichen Manndecker a la Lederer mit. Die Abwehr ist eher vorsichtig, was angesichts des Mattersburger Flügeldrucks auch nötig war.

Gemeinsam ist allen: schnelles Umschalten, schnelles Handeln, Mut zum Dribbeln und Mut zum Schuss.

Mut, den kann man nicht kaufen.

Den hat man, oder eben nicht.

Die Verantwortlichen für die Rapid Amateure haben ihn offenbar. Und das geht, weil sie weder als Renommier-Projekt noch als Misttrücherl herhalten müssen, sondern sich ihrem zentralen Zweck widmen können. Andernfalls geht soviel Energie drauf, sich von derlei Funktionärs- und Wichtigtuer-Reinrederei freizuhalten – die fehlt dann anderswo. Und auch weil die Mannschaft recht frei von den üblichen verdächtigen Spielerberatern (nur vier haben überhaupt einen) ist. Und vielleicht, weil auch im Nachwuchsbereich so gedacht wird, zb von U19-Coach Christian -Prosenik, dem Vater eines der Hoffungsträger.

Die Rapid Amateure

spielten mit U18-Teamtorhüter Ertan Uzun im Tor (Andreas Lukse war in Ried im Einsatz), mit Tanju Kayhan aus der großen Kayhan-Sippe rechts in der Abwehr, mit Cem Tosun, dem Bruder des an den DSV verliehenen Cemil, zentral in der Abwehr neben Nermin Jusic, dem 32jährigen Kapitän, der schon im Spiel die Tränen über diesen 5:1-Triumph nicht so recht halten wollte. Links hinten spielt Stephan Palla, U20-Teamkandidat, von Ernst Weber als eines der größten Talente des heimischen Kicks bezeichnet – ein Kandidat für die aktuell zu besetzende Katzer-Position.

Im Mittelfeld rechts der kleine Semsudin Mehic, links der unglaubliche Christopher Drazan (zuletzt auch im U19-Teameinsatz), zentral defensiv der grandiose Yasin Pehlivan (U20), zentral offensiv Michel Sandic (U19).

Vorne war neben Shooting-Star Christopher Trimmel (der als bester Burgenländer auf dem Platz bezeichnet wurde) diesmal Serkan Ciftci im Einsatz.

Thomas Bergmann kam für Mehic und sorgte für ein grandioses Tor, die Einwechslungen von Philipp Prosenik, 15, aber schon im U17-Team!) und Muhammed Ildiz, 17, vor der Liga-Saison mit einem speziellen Förderungspreis ausgezeichnet, waren eher sowas wie Belobigungen. Dazu kommen noch Ersatztormann Bartosch und Abwehrspieler Emanuel Sakic.

Verletzt sind Prokopic und Marcel Toth, zum Team gehören noch Stefan Holzmeier, Arvedin Terzic und Mehmet Sütcü sowie die Coaches Thomas Mattersdorfer, Erich Macho und sicher viele andere mehr.

Bitte weiter so.

October 31, 2008 at 7:19 pm Leave a comment


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