Archive for October, 2020
Erfolg in der letzten Viertelstunde
Die Rapid-Viertelstunde ist seit über einem Jahrhundert die wohl markanteste Tradition rund um den SK Rapid. Seit Sonntag ist die Geschichte der erst in der letzten Viertelstunde eines Matches fixierten Siege von Rapid um ein Kapitel reicher – geschrieben von Ercan Kara in Kärnten im Spiel gegen den Wolfsberger AC!

Das typische Einklatschen der letzten 15 Spielminuten wird in guten wie in schlechten Zeiten zelebriert – nun in der Corona-Krise eben bei Heimspielen nur von 3000 oder ab dem nächsten Match bloß 1500 Zuschauern im Allianz-Stadion, aber ebenso auch immer von den zu Auswärtsspielen mitgereisten Rapidfans. Die „Rapid-Viertelstunde“ ist seit jeher ein fester Bestandteil der Fankultur des SK Rapid und wurde von Generation zu Generation weitergegeben. Das in der 75. Minute einsetzende rhythmische Klatschen ist die Aufforderung der Fans an die Spieler, an sich zu glauben und – unabhängig vom Spielstand – noch einmal das Letzte aus sich herauszuholen.
Und tatsächlich ist es Generationen von Rapid-Spielern in der mehr als 120-jährigen Geschichte des Vereins immer wieder gelungen, Spiele trotz Rückstands in der zweiten Halbzeit noch gewinnen zu können. Bei der Auswertung von Saisonstatistiken finden sich stets zahlreiche Matches, die Rapid in der letzten Viertelstunde drehen konnte. Die Rapid-Viertelstunde ist also nicht nur ein Mythos, sondern tatsächlich die Phase des Spiels, in der die Rapid-Mannschaften über viele Jahrzehnte für den Gegner am gefährlichsten waren.
Bis heute gültig
Am Sonntag gegen den WAC war es wieder einmal soweit. Und diesmal war besonders viel Glaube an die eigene Stärke und besonders viel Anstrengung notwendig, um trotz 2:3-Rückstands doch noch drei Punkte aus Kärnten mit nach Wien nehmen und mit einem Sieg an Tabellenführer RB Salzburg dranbleiben zu können!
Rapid und der WAC hatten am Donnerstag in der Europa League gespielt: die Hütteldorfer hatten dem FC Arsenal einen tollen, kräfteraubenden Fight geliefert, am Ende aber trotz 1:0-Führung noch 1:2 verloren; die Wolfsberger hatten ZSKA Moskau ein 1:1 abgerungen. Im Spiel der Europacup-Fighter führte der SK Rapid nun zur Pause 2:0, aber dann drehten die Wolfsberger gegen zunehmend ermüdende Grün-Weiße binnen 20 Minuten das Spiel und stellten auf 3:2. Nun war der „Rapid-Geist“ gefragt und auch diese vielversprechende junge Mannschaft des Jahres 2020 weiß, dass Rapid nie aufgibt!

In Abwesenheit von Rapids gefährlichstem Stürmer Taxi Fountas, der sich gegen Arsenal verletzt hatte, war es nun Mittelstürmer Ercan Kara (24) – erst seit weniger als einem Jahr, aus der zweiten Liga gekommen, bei Rapid – der gemeinsam mit seinen Teamkollegen mit Glaube, Wille und Mut dem Kärntner Comeback trotzte und innerhalb der Rapid-Viertelstunde zuerst per Kopf auf 3:3 stellte. Und dann, nach Foul an ihm selbst, erzielte er in der Nachspielzeit den Siegestreffer zum 4:3! „Er macht es unglaublich gut, gibt nie auf, und genau das ist es, was Rapid auszeichnet”, lobte Rapid-Trainer Didi Kühbauer seinen Stürmer.
Auf der Homepage des SK Rapid wird die Geschichte der Rapid-Viertelstunde erzählt:

Uralte Tradition
Der Ursprung der Rapid-Viertelstunde geht vermutlich auf die Zeit zurück, in der Rapid auf dem Rudolfsheimer Platz spielte. Vom Platz aus konnte man die Rudolfsheimer Kirche mit zugehöriger Turmuhr sehen. Die Uhr soll eine tragende Rolle bei der Entstehung der Rapid-Viertelstunde gespielt haben – allerdings ist dies nicht zweifelsfrei gesichert, zumal die Entstehung der Tradition keinem klaren Muster folgte, sondern eher spontan zustande kam.
Der Rapid-Geist und die letzten 15 Minuten
Schon in den ersten Jahren der Klubgeschichte gab es erste sportliche Anzeichen: Zeitungsberichte beweisen, dass Rapid stets einen guten Endspurt hinlegte und zahlreiche Spiele erst in der letzten Viertelstunde entschied. Dies ist auch auf den traditionellen Kampfgeist und die konditionelle Überlegenheit Rapids zurückzuführen.
Frühe mediale Aufbereitung
Zahlreiche Zeitungsberichte bestätigen die frühe Etablierung der Rapid-Viertelstunde. So berichtete etwa das Neue Wiener Tagblatt am 9. September 1916: “Erst in der letzten Viertelstunde zeigt sich die Überlegenheit der Hütteldorfer.” Die gleiche Zeitung schreibt am 13. November 1916 über das Spiel Rapid gegen Sportclub: “Das Endergebnis von 2:0 stellten die Rapid-Spieler erst in ihrer berühmten “Viertelstunde” her.” bzw. “Erst in den letzten 15 Minuten des Wettspiels konnten die Dornbacher dem immer schärfer werdenden Tempo nicht mehr ganz folgen und mußten in dieser Zeit die zwei Treffer hinnehmen.“

Die legendäre Stimmung bei Rapid
Neben der Rapid-Viertelstunde weiß das Fremdenblatt 1918 auch einige andere Details über die Atmosphäre bei Rapid-Spielen, hier anlässlich der Partie Rapid gegen Rudolfshügel: “Es war von jeher schwierig, Rapid in einem Meisterschaftsspiel auf dem eigenen Platze niederzuringen. Rapid ist eine Mannschaft, die zähe zu kämpfen versteht, die durch einen gewaltigen Anhang künstlich aufgepeitscht, fast immer in einer “berühmten Viertelstunde” den Gegner niederzurennen verstand, wobei inmitten des wüsten Lärms und der unglaublichsten Reklamationen gewöhnlich auch der Schiedsrichter um seine Ruhe gebracht wurde.“
Unser Erbe
2011 wurde die Rapid-Viertelstunde für eine Aufnahme auf die nationale Liste des immateriellen UNESCO-Weltkulturerbes vorgeschlagen, letztendlich aber trotz ihrer über 100 Jahre alten Tradition nicht aufgenommen. Weitergeklatscht wird dennoch – bis in alle Ewigkeit.
WAC – Rapid 3:4 (0:2). Rapid: Strebinger – Stojkovic, Hofmann, Greiml (56. Barac) – Schick (73. Arase), Grahovac, Ritzmaier (78. Knasmüllner), D. Ljubicic, Ullmann – Kara, Kitagawa (78. Alar)
PS: Auch ein 3:3 kann ein Beispiel für die „magische Viertelstunde“ sein – nicht nur bei Rapid!
Tottenham – West Ham 3:3 (3:0) https://youtu.be/urzWUoHYi7g
Rapid – Salzburg (2015) 3:3 (0:3) https://youtu.be/0AgNERy_Luw
Spurs v WHU 3-3 (3-0)
What a fightback!

Nach einer Viertelstunde lag West Ham bei den Spurs 0:3 zurück. Am Ende brauchten die Hammers dann nicht einmal eine Viertelstunde, um das Spiel zu drehen und mit 3:3 (3:0) einen nicht mehr erwarteten Punkt aus dem Tottenham Stadium zu entführen!
Nach zwei Siegen (4:0 gegen Wolves) und (3:0 gegen Leicester) fuhr West Ham nach der Länderspielpause durchaus optimistisch in den Norden von London zum Derby gegen die Spurs. Aber auch die waren gut drauf gewesen in den letzten Spielen: 6:1 gewonnen gegen Manchester Utd in der Premier League und davor 7:2 im Europa League-Playoff gegen Maccabi Haifa.
Und genau so schien es zunächst weiterzugehen bei der „Tormaschine Tottenham“: Schon in der ersten Minute stellte Son auf 1:0, und dann war es zweimal Harry Kane, der gegen ein zu offensiv eingestelltes, in der Rückwärtsbewegung zu langsames West Ham nach kaum einer Viertelstunde schon das 3:0 fixieren konnte.

Aber so ist Fußball: alles ist möglich, wenn du dran glaubst!
West Ham steckte nicht auf, spielte weiter offensiv und in der zweiten Hälfte dann immer stärker und stärker. Tor gelang aber vorerst keines und als Kane in der 78. Minute den Pfosten traf, hätte wohl niemand mehr auf ein Comeback der Hammers getippt.
Aber Glaube, Wille und Mut waren an diesem Sonntag Abend bei West Ham trotz der aussichtslos scheinenden scoreline auch noch nach der 80. Minute vorhanden. Und West Ham schaffte tatsächlich das unmöglich Scheinende und drehte zwischen der 82. und der 94. Minute in bester „Rapid-Viertelstunden-Manier“ das Spiel!
Zuerst traf Balbuena, dem beim allzu frühen 1:0 für die Spurs Son enteilt war, per Kopf; dann „verwandelte“ Sanchez einen „Stanglpass“ von West Ham’s right back Vladimir Coufal ins eigene Tor. Und schließlich war Manuel Lanzinis Weitschuss genau ins Kreuzeck ein fulminanter Schlusspunkt in diesem London Derby! Es war das erste Tor des Argentiniers seit Mai 2019 – im ersten Spiel von Manager David Moyes nach dessen positivem Corona-Test. An seiner Stelle hatte Co Alan Irvine die Hammers in den letzten beiden Spielen an der Seitenlinie gecoacht.
Die Hammers sind erst das dritte Team, dem das in der Geschichte der Premier League gelang: in der 80. Minute drei Tore zurück – und dann doch noch den Ausgleich geschafft! (Nur West Brom v Man Utd im Mai 2013, 5-5, und Norwich v Middlesbrough im Januar 2005, 4-4, ist das bisher auch gelungen.)
Im April 2019 war West Ham übrigens das erste Team, das im neuen Tottenham Stadium ein Tor erzielt hat und den Spurs die erste Heimniederlage zufügte! Damals war Michail Antonio der Torschütze gewesen!
Tottenham v West Ham 3:3
Goals: https://www.whufc.com/news/articles/2020/october/18-october/goals-tottenham-hotspur-3-3-west-ham-united
Extended Highlights (WHUFC)
Stunning Hammers Comeback (WHUFC)
Tottenham 3-3 West Ham: Manuel Lanzini stunner seals dramatic draw (BBC)

Rapid gegen Arsenal
Die Europa League Auslosung brachte den österreichischen Klubs zwei Mal einen Trip nach London: Rapid Wien spielt gegen Arsenal, der LASK gegen Tottenham.
Erinnerungen an Rapids 6:1-Triumph im Mai 1953 über den damaligen englischen Meister werden wach. Aber natürlich ist ein solches Ergebnis völlig irreale Phantasie, wenn es am 22. Oktober, 18:55 Uhr, gleich im ersten Gruppenspiel im Allianz Stadion zum Duell der Hütteldorfer Kanoniere gegen die Gunners aus London kommt!

“Die sind elf und wir sind elf.“ Mit dieser Fußballweisheit motivierte seinerzeit Rapids Trainer Josef Uridil seine Mannschaft vor dem Freundschaftsspiel gegen den damals frischgebackenen Meister aus London in Brüssel. Und anschließend tanzten die Wiener – damals eine der besten Mannschaften auf dem Kontinent – mit ihren Gegnern Walzer und fügten ihnen eine der höchsten Niederlage in der Vereinsgeschichte von Arsenal zu!
In Rapids Klubmuseum „Rapideum“ ist diesem historischen Sieg eine eigene Vitrine und Schautafel gewidmet:

Mal sehen, ob‘s heuer wieder ein „historisches Ergebnis“ gibt und wie das dann der aktuelle Rapid-Trainer Didi Kühbauer kommentieren wird!
Die beiden weiteren Gegner in der EL Gruppenphase sind der FK Molde aus Norwegen und Dundalk FC aus Irland. Der irische Klub aus der eine Stunde nördlich von Dublin gelegenen Hauptstadt des Countys Louth war vierzehn Mal Meister, zuletzt 2018/19 und wurde in der letzten Saison – die wegen Corona vorzeitig abgebrochen wurde – Fünfter der irischen Premier League.
Der FK Molde war ebenfalls zuletzt 2019 norwegischer Meister. In der aktuellen Saison liegt man nach 19 Runden auf Platz 4 der “Eliteserien”. Mit den Norwegern wird sich Rapid wohl um den 2. Tabellenplatz duellieren, wenn – wie vor zwei Jahren – der Aufstieg in die K.O.-Runde gelingen soll. Die Stadt Molde liegt 500 km nordwestlich von Oslo, etwas südlicher als Island. Rapid muss schon Ende Oktober die Reise in den Norden zum zweiten Spiel der Gruppe B antreten.

Das zweite Heimspiel in Wien steigt dann am 5. November gegen Dundalk. Im Stadion sehen werden es nach der geltenden österreichischen Verordnung nur 3000 Zuschauer, die UEFA würde aber mehr Fans erlauben. Mal sehen, wieviele das Spiel wirklich vor Ort erleben dürfen! Jammerschade, dass die Duelle mit Arsenal in dieser „Corona-Saison“ stattfinden müssen!
Anyway: “Auf geht’s Rapid, kämpfen und siegen!!!
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