Was wollte er damit sagen?

January 25, 2025 at 10:00 am Leave a comment

Kommentar von Lenz Jacobsen in „Die Zeit“

Wer auf einer politischen Bühne bei einer politischen Rede vor einem teils rechtsextremen Publikum den rechten Arm schwungvoll und mehrmals schräg in die Höhe reckt, macht den Hitlergruß. Es braucht da kein “vermeintlich” oder “ähnlich” oder “umstritten”. Die Geste spricht für sich, sie ist im Video dokumentiert. Wer sie dann uminterpretieren will, wer den Hitlergruß nicht sehen will, tut das auf eigene Rechnung. Wer beispielsweise gerade jetzt meint, den älteren “Römergruß” als vermeintliche Musk-Referenz entdecken zu müssen, beweist damit vor allem seinen Willen zur gefälligen Umdeutung.

Musk hat also den rechten Arm ausgestreckt und lässt alle drüber springen – das ultimative Stöckchen. So beginnt am Tag der Inauguration nicht nur formal die zweite Präsidentschaft Donald Trumps. Auch das damit verbundene Aufmerksamkeitsregime wird so gut sichtbar wie selten zuvor.

Denn darum geht es: Aufmerksamkeit. Sie ist das umkämpfteste Gut in einer Welt, in der prinzipiell in jeder Sekunde jeder Schnipsel, jedes Bild, Video und Zitat um Aufmerksamkeit buhlt. Trump und Musk sind Meister in diesem Wettbewerb. Vor allem, weil es ihnen gelingt, selbst negative Aufmerksamkeit für sich zu nutzen. Siehe Hitlergruß.

Denn was jetzt passiert, ist absehbar: Neonazis und Rechtsradikale dürfen den gestreckten rechten Arm als Verbrüderungs- und Bestärkungsgeste deuten. Gemäßigte, wohlwollende Anhänger als eskalierte Jubelgeste. Und alle anderen stehen vor einer unmöglichen Wahl: entweder den Tabubruch ignorieren und so zu dessen Enttabuisierung beitragen. Oder ihn als Tabubruch markieren und so die Empörung produzieren, an der sich dann wiederum die Gegenseite ergötzt und hochzieht. Man kann das beklagen, aber man muss wohl damit rechnen, dass es einem relevanten Teil der Menschheit mittlerweile nur noch als virtue signaling gilt, den Hitlergruß zu skandalisieren.

Die politische Rendite ihrer Aufmerksamkeitssiege besteht für Trump und Musk nicht nur in der Gewöhnung des Publikums an ihre konkreten Positionen und ihren Stil. Sondern generell darin, dass sie es sind, die darüber bestimmen, woran man sich gewöhnt. Dass sie die größte Macht haben über das Fenster des Sagbaren.

Vor 30 Jahren hat der Politikwissenschaftler Joseph Overton das Konzept vom “Overton-Fenster” erfunden. Es teilt die politischen Ansichten ein in die populären, sinnvollen und die gerade noch akzeptablen Positionen, die innerhalb des Fensters liegen. Und in die radikalen und undenkbaren Positionen außerhalb. Politik gemacht werde letztlich nur innerhalb dieses Fensters, meinte Overton, und wer wirkliche Veränderungen wolle, müsse deshalb das ganze Fenster verschieben. Das ist es, was seit Jahren geschieht. Bis schließlich, im Januar 2025, ganz am rechten Rand im Fenster des politisch Akzeptablen, der Hitlergruß sichtbar wird. 

Ehrenwert, aber hilflos

Lenz Jacobsen meint in seinem Kommentar auch, die Aufrufe, man dürfe sich an politische Ungeheuerlichkeiten “nicht gewöhnen”, seien zwar ehrenwert, aber hilflos, weil Menschen Anpassungswesen seien, Gewöhnung sei eine der wenigen Konstanten der menschlichen Existenz.

Kann man also gar nichts dagegen tun, dass das „Politikfenster“ sich immer weiter und weiter nach rechts verschiebt? AfD-Chefin Alice Weidel sagt mittlerweile öffentlich, dass Hitler ein Linker war.

Es bedarf Standhaftigkeit und Mut, um sich dem stetigen Weiterrücken der Politik in eine Richtung, die Menschenverachtung, Rassismus und Unbarmherzigkeit salonfähig macht, zu widersetzen und zu verhindern, dass man vielleicht sogar selbst ein Stückchen „mitrutscht“ in diese Richtung.

Mut, wie ihn die amerikanische Bischöfin Mariann Edgar Budde bei einem Gottesdienst in Anwesenheit von Donald Trump am Tag nach dessen Angelobung bewiesen hat, als sie sagte, der neue US-Präsident möge sich barmherzig zeigen. Sie sprach dabei unter anderem von Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus, denen unter dem neuen Präsidenten „Massenabschiebungen“ drohen. Auch wenn ich nicht in allem, was sie sonst sagte, mit der Meinung der Bischöfin übereinstimme, das war mutig!

Trump meinte dazu zunächst nur, der Gottesdienst sei nicht gut und sehr langweilig gewesen. Bald darauf aber schrieb er auf social media, Budde und ihre Kirche schuldeten ihm eine Entschuldigung.

Zurück zu Elon Musk: Ein Hitlergruß ist ein Hitlergruß ist ein Hitlergruß. Was soll das, Herr Musk????

Dafür bedürfte es einer Entschuldigung des künftigen Co-Leiters des Department of Government Efficiency (DOGE) und größten Wahlkampfhelfers von Donald Trump! Die tapfere Bischöfin Mariann Edgar Budde muss sich für gar nichts entschuldigen!

Auch Papst Franziskus hat Trump vor der Amtseinführung aufgefordert, von „Hass, Diskriminierung und Ausgrenzung“ Abstand zu nehmen, und hat die geplanten Massenabschiebungen als „Schande“ bezeichnet.

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