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“Blowing Bubbles“ auf Österreichisch
Der Freitagabend brachte zwei Premieren: das erste Länderspiel in der von Architekt Harald Fux geplanten, neu eröffneten Linzer Raiffeisen Arena auf der Gugl und die Stadionaufführung des neuen Nationalteam-Songs, in dem sich Teamchef Ralf Rangnick und seine Spieler durchaus selbstironisch von den Austropoppern Christopher Seiler und Paul Pizzera auf die Schaufel nehmen lassen. Immerhin erinnert der Refrain des Songs an die zweithöchste Niederlage in der langen Geschichte des österreichischen Nationalteams, ein 0:9 gegen Spanien, und das damals von Verteidiger Anton Pfeffer gegebene Pauseninterview.
„Hoch wer ma‘s nimma g‘winnen, des is amoi klar”, sagte Toni Pfeffer zur Halbzeit beim Stand von 5:0 für Spanien. Das Spiel in Valencia am 27. März 1999 endete schließlich 9:0. Nur gegen England hat das ÖFB-Team noch höher verloren: am 8. Juni 1908 siegten die Three Lions in Wien 11:1.

Aber auch die Journalisten bekommen im Mittelteil der Nummer ihr Fett ab, indem Rangnick, David Alaba und Conny Laimer einen legendären Sager aus dem Interview von Günther Neukircher nach einer 0:4 Derbyniederlage des SK Sturm gegen den GAK zitieren: Mit „Des is de nächste deppate Frog“ beendete der damals sichtlich genervte Neukircher ein Interview im Februar 2005, in dem der Reporter Gerhard Krabath nach dem Schlusspfiff vom Sturm-Spieler wissen wollte, ob die Blackies Angst vor einer noch höheren Niederlage gehabt hätten und froh über den Abpfiff gewesen seien.

Dass man in dem ÖFB-Song, der zum Beginn der am Freitag gestarteten EM-Qualifikation für Deutschland 2024 herausgebracht wird, auf Niederlagen und die Gefühle von Fußballern in durchaus selbstironischer Weise Bezug nimmt, ist sympathisch und es lässt über die schon etwas eigenartige Rahmenhandlung des Videos – einen Einbruch in das Wiener Praterstadion mit einem gefesselten und geknebelten Wachmann als Schlusspointe – hinwegsehen. Trotz Niederlagen den Stolz und Optimismus nicht zu verlieren, ist für eine Fußballnation wie Österreich, deren größte Erfolge Jahrzehnte zurückliegen (vierter Platz bei der WM 1934, dritter Platz bei der WM 1954 und 7. Platz mit Sieg in Córdoba über Deutschland bei der WM 1978), durchaus (überlebens)wichtig. Und mit dem 4:1 Sieg über Azerbaijan zum Auftakt der EM-Qualifikation am Freitag kann man auch wieder durchaus optimistisch sein und hoffen, dass das Team es zum dritten Mal in Folge schaffen kann, an einer EM-Endrunde teilzunehmen – auch wenn es zuletzt mit der WM-Qualifikation wieder nicht geklappt hat und Österreich trotz durchaus guter Leistungen aus der A-Gruppe der Nations League absteigen musste.
Seine Träume trotz Niederlagen und Rückschlägen nicht aufzugeben, das ist etwas, das man im Fußball und allgemein im Sport fürs Leben lernen kann. Nach jedem erfolglosen Wochenende gibt es bis zum Ende der Meisterschaft ein neues Spiel, in dem es wieder um drei Punkte für den Sieg geht; nach einer Niederlage im ersten K.O. Spiel im Europacup hat man im Rückspiel eine zweite Chance; und nach dem Abstieg aus einer Liga beginnt eine neue Meisterschaft, in der der Wiederaufstieg geschafft werden kann. Im Sport wie im Leben ist es wichtig, auch im Scheitern den Mut nicht zu verlieren und wieder optimistisch in die Zukunft zu blicken, die „Trotzmacht des Geistes“ (Viktor Frankl) zu aktivieren und trotz widriger Umstände sein Schicksal in die eigene Hand zu nehmen.

Und da tut sich nun die im Titel dieses Posts angesprochene Parallele zu West Ham United‘s Klubhymne “I’m Forever Blowing Bubbles“ auf, denn auch dieses Lied handelt vom immer wieder benötigten Optimismus und Nichtaufgeben, auch wenn hochfliegende Träume zerplatzen sollten wie Seifenblasen:
“I’m forever blowing bubbles, pretty bubbles in the air. They fly so high, nearly reach the sky, then like my dreams they fade and die”.
Es wird sogar noch ein bisschen schlimmer und resignierter in diesem seit den Zwanzigerjahren bei West Ham-Spielen gesungenen Lied: “Fortunes always hiding, I’ve looked everywhere”. Aber dann schließt der Refrain mit einer optimistischen, hoffnungsvollen Note, denn es wird nicht aufgegeben, weiterhin werden die Seifenblasen fliegen und in allen Farben schillern: “I’m forever blowing bubbles, pretty bubbles in the air”, wiederholt man hoffnungsfroh am Ende, und im Fußballstadion wird dann noch rhythmisch geklatscht und “United, United, United!” gerufen.
Und es stimmt: nur gemeinsam kann ein Team etwas erreichen, aus der “Trotzmacht des Geistes” des Einzelnen muss im Mannschaftssport ein optimistischer Teamspirit erwachsen, zu dem im Optimalfall dann noch die Anfeuerung von den Rängen das Ihre dazu beiträgt, dass nicht aufgegeben wird und eine Mannschaft über sich hinauswachsen kann!
Bei West Ham bedarf es in dieser Saison tatsächlich noch einiger gemeinsamer Anstrengung, um den Abstieg aus der Premier League zu verhindern. Obwohl Manager David Moyes im Sommer ordentlich in die Verstärkung seines in den letzten beiden Saisonen erfolgreichen, zweimal hintereinander für den Europacup qualifizierten Teams investiert hat, kommt West Ham in der Meisterschaft nicht vom Fleck und steckt mitten im Abstiegskampf.
Dafür darf in der UEFA Europa Conference League davon geträumt werden, dass die Hammers zum ersten Mal seit den Finalspielen im FA Cup 1980 und 2006 und im Europacup 1965 und 1976 wieder in ein Finale kommen. Aktuell stehen sie im Viertelfinale, in dem es am 13. und 20. April gegen KAA Gent geht und bei einem Erfolg die Chance besteht, gegen den Sieger aus der Paarung Anderlecht / AZ Alkmaar um den Einzug ins UECL-Finale in Prag zu spielen.
Im Vorjahr schied West Ham im Halbfinale der Europa League gegen den späteren Finalsieger Eintracht Frankfurt aus, aber heuer will man die Chance auf das Finale nutzen. Optimistisch wie die Hammers-Fans sind, haben einige schon ihr Hotel in Prag für den 7. Juni 2023 gebucht, wenn in der Eden Arena das Conference League-Finale steigt. Dieses Stadion ist die Heimstätte von SK Slavia, dem früheren Klub der West Ham-Spieler Tomas Soucek und Vladimir Coufal.
Es darf also geträumt werden: bei den Hammers von einem Ausflug in die „Goldene Stadt“ und bei der österreichischen Nationalmannschaft, dass der Titel „Hoch gwinn mas (n)imma“ das Team zur EM 2024 nach Deutschland begleiten möge!
“I’m forever blowing bubbles!”

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