„Wödmasta“

January 21, 2022 at 6:09 pm Leave a comment

„Bei Happel roch man den Rasen und sah den Fußballer im Trainer. Happel war einer, der einzigartige Qualitäten auch als Coach sehen ließ.“

Auf dem Buchumschlag der Ernst Happel-Biografie von Klaus Dermutz (2. Auflage, 2013), die ich gerade lese, wird der große Johan Cruyff mit der obigen Aussage zitiert.

König Johan spielte zwar noch bei der WM-Qualifikation für 1978 unter Ernst Happel, beendete aber im Oktober 1977 seine Teamkarriere und war bei der WM-Endrunde in Argentinien, bei der Ernst Happel, der Wiener „Wödmasta“, die Holländer coachte, nicht mehr dabei. Happel war es nicht gelungen, ihn zu überreden, seinen Nationalteam-Rücktritt rückgängig zu machen.

Wer weiß: mit Cruyff wäre der begnadete Trainer Happel vielleicht wirklich Weltmeister geworden – so bleibt es bei der Vizeweltmeisterschaft als Trainer 1978 und dem 3. Platz als Spieler für Österreich 1954 in der Schweiz.

Als Vereinsspieler und Trainer stand „Aschyl“, wie der Ernstl auch genannt wurde, aber wirklich ganz oben: mit Rapid wurde er als Spieler sechs Mal österreichischer Meister (1946-1957) sowie Cupsieger (1946) und Zentropacupsieger (1951 – Siegestor: Ernst Happel). Als Klubtrainer gewann der frühere Spaßvogel, den man nun mit dem Spitznamen „Grantler“ belegte, sechzehn Titel mit sechs verschiedenen Klubs, darunter zweimal den Europacup der Landesmeister: 1970 mit Feyenoord Rotterdam und 1983 mit dem Hamburger SV und einen Weltpokal mit Feyenoord 1970. Kein anderer Trainer der Welt hat so viele bedeutsame Titel in so vielen verschiedenen Ländern gewonnen. Das hat Happel den Ruf eingebracht, ein Guru zu sein, einer der großartigsten Trainer überhaupt.

Im heurigen Jahr wird sich Ernst Happels Todestag (14. November 1992) zum 30. Mal jähren. Geboren wurde er am 29. November 1925 in Wien, ist nach der Scheidung seiner Mutter vom Stiefvater – seinen leiblichen Vater hat er nie gesehen – bei der Großmutter aufgewachsen, einer Standlerin am Meiselmarkt, die in der Huglgasse im 15. Bezirk wohnte. Vom 15. Bezirk, wo der S.C. Rapid vor dem Bau der „Pfarrwiese“ ursprünglich spielte, ist es nicht weit nach Hütteldorf. 1938 kommt der 12 Jahre alte Ernst zu einem Probetraining bei Rapid und wird vom damaligen Jugendtrainer Ernst Nitsch gemeinsam mit den Körner-Brüdern Alfred und Robert als Nachwuchsspieler aufgenommen.

Mit Körner I und Körner II spielt Happel dann in der erfolgreichen Rapid-Mannschaft der Vierziger- und Fünfzigerjahre und im österreichischen Nationalteam bei der WM in der Schweiz 1954. Beim Spiel um den dritten Platz, das Österreich gegen Uruguay 3:1 gewann, fehlten allerdings sowohl Alfred Körner II als auch Happel, auf die Teamchef Walter Nausch nach der Halbfinal-Niederlage gegen Deutschland (1:6) verzichtet hatte. Happel hatte damals den deutschen Teamspielern bei ihren einstudierten Standardsituationen nichts entgegenzusetzen, sodass man ihm und dem Tormann Walter Zeman nach dem Spiel aus Enttäuschung über diese Niederlage sogar vorwarf, von den Deutschen bestochen worden zu sein. Happel und Zeman waren über die Bestechungsvorwürfe so erbost, dass sie bei der Heimfahrt bereits vor dem feierlichen Empfang der Weltmeisterschafts-Dritten in Wien ausstiegen und über drei Jahre lang nicht mehr für die österreichische Nationalmannschaft spielten.

Ein Sieg über Deutschland gelang Österreich erst wieder bei der WM 1978 in Córdoba durch zwei Tore von Hans Krankl beim legendären 3:2-Erfolg über die BRD in der Zwischenrunde, die Happels Holland (das Österreich 5:1 deklassiert hatte) gewann und sich für das WM-Finale gegen Gastgeber Argentinien (1:3 n.V.) qualifizierte.

Auf Happels Engagement als Nationaltrainer der Niederlande folgte unter anderem die Station beim HSV (1981 – 1987) mit dem Sieg im Europacup der Landesmeister 1983, und anschließend die Rückkehr nach Österreich zum FC Tirol (1987 -1991; Meister 1989).

Didi Constantini und Ernst Happel (1992)

1992, schon von seiner Lungenkrebserkrankung gezeichnet, übernahm Ernst Happel – der bereits 1982 vor der WM in Spanien diesen Posten von Karl Stotz hätte übernehmen sollen, was aber damals an seiner gleichzeitigen Verpflichtung als HSV-Trainer scheiterte – das österreichische Nationalteam, das er bei neun Länderspielen gemeinsam mit Co-Trainer Didi Constantini coachte. Nach einem 5:2-Sieg über Israel verstarb der legendäre Trainer vier Tage vor dem Spiel gegen Deutschland.

Bei diesem Spiel (0:0 am 18. November 1992 in Nürnberg), bei dem das Team interimistisch von Constantini betreut wurde, lag Ernst Happels Kappe während der 90 Minuten auf der Trainerbank.

Begraben ist Ernst Happel, der im 15. Wiener Gemeindebezirk aufgewachsen ist, im 14. Bezirk seine größten Erfolge als Spieler von Rapid feierte und gerne im Café Ritter im 16. Bezirk Karten und Billard spielte, auf dem Hernalser Friedhof (Gruppe 1, Nr. 238).

Café Ritter Ottakring

Von dort hat man einen guten Blick auf den Dornbacher Sportclub-Platz im 17. Bezirk mit seiner sogenannten „Friedhofstribüne“. In der „Fußballfibel“ über den Wiener Sport-Club von Christian Bunke heißt es, dass die Verstorbenen auch von ihren Gräbern aus das Spielgeschehen verfolgen könnten und man ob der oftmals gar nicht glänzenden Leistungen der derzeit in der dritten österreichischen Leistungsklasse spielenden Hernalser oft ein vom Friedhof kommendes dunkles Rumoren hören könne. Das seien die toten Fußballfunktionäre, Spieler und Fans, die verzweifelt in ihren Gräbern rotieren.

Vielleicht stimmt da auch manchmal grantig der „Wödmasta“ ein – außer seine Rapid ist auf dem Sportklubplatz zu Gast, denn dann gewinnt meistens – wie z.B. im Herbst 2016, als die Grün-Weißen drei Mal hinter einander im österreichischen Cup erfolgreich in Dornbach antraten – das frühere Team des großen Ernst Happel.

➡️ Artikel über Ernst Happel, 2021: https://www.oepb.at/allerlei/im-gedenken-an-ernst-happel.html

➡️ Guru, Kauz und Lebemann, 2012: https://www.welt.de/sport/fussball/bundesliga/hamburger-sv/article110885980/Ernst-Happel-Guru-Kauz-und-Lebemann.html

➡️ Ernst Happel: Unberechenbar und seiner Zeit voraus, 2017: https://kurier.at/amp/sport/fussball/ernst-happel-unberechenbar-und-seiner-zeit-voraus/297.577.172

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